Lösung des deutschen Rätsels

edlle junckffrau radent waß ist daß
zwyernet fünff und eynß me
der fynffzehenst bustab am abc
bedrigt den man und nit me
Zweimal fünf = (die lateinischen Zahlen) V+V = W
plus eins = (die lateinischen Zahl) I
der 15. Buchstabe des (mittelalterlichen) Alphabets (wo i und j als eins gezählt werden) = P
–>WIP (‘Frau’)

Also: ‘Die Frau und nichts anderes legt den Mann herein.’

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Ein deutsches Rätsel aus dem Mittelalter

Am Ende des Textes von Erhard Wameshafft steht ein kurzes Rätsel, das den leeren Raum am Ende der Seite nutzt:
edlle junckffrau radent waß ist daß 
zwyernet fünff und eynß me
der fynffzehenst bustab am abc
bedrigt den man und nit me
‘Edle junge Herrin, ratet, was das ist:
Zweimal fünf plus eins
[und] der 15. Buchstabe im ABC:
das und nichts anderes legt den Mann herein.’       –>Lösung
Es ist typisch, wenn auch in dieser Handschrift einmalig, leeren Raum auf einer Seite mit kurzen Texten aufzufüllen. Dieses Rätsel passt ausgesprochen gut, denn auch schon der vorangegangene Text war einer junckfrawe (einer jungen Adeligen oder einfach einem Mädchen) gewidmet, genauso wie sich das Rätsel an eine solche richtet. Ist es möglicherweise dieselbe? Haben wir hier die Spur eines scherzhaften Liebesgesprächs (wo die zu erwartende Antwort des Mädchens fehlt)? Oder hat ein intelligenter Schreiber schlicht einen passenden Text eingefügt? DIESES Rätsel werden wir nicht lösen …
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Was uns die Namen verraten

Alle Namen, die in dieser Handschrift vorkommen – seien es die der Verfasser oder andere –, haben eine Verbindung zu den Grafen von Württemberg oder denen von Königstein-Eppstein,die ihrerseits durch Heirat verbunden waren: Margarethe, Schwester Heinrichs von Württemberg, die in dem Liederbuch genannt ist, war die Frau von Philipp von Eppstein-Königstein,dem Sohn Eberhards III. von Eppstein-Königstein, der wiederum in Erhard Wameshaffts ‘Liebe und Glück’ erwähnt ist. Diese Ehe wurde 1469 geschlossen, und nur zwei Jahre später, im Jahr 1471, starb Margarethe. Man kann also annehmen, dass Heinrichs Erwähnung im Liederbuch in die Zeit seiner Verlobung oder frühen Ehe fiel.

Das ist auch ein wahrscheinlicher Zeitraum für die Entstehung der rheinischen Werke Hermanns von Sachsenheim, der (gleichzeitig oder etas später) Beziehungen zum Hause Württemberg hatte. Auch wenn wir keinerlei Beweise haben, gibt es recht viele Indizien für dei Entstehung der Faszikel dieser Handschrift um 1470. Diese Datierung wird auch durch die Wasserzeichen (?) gestützt.

Es bleibt die Frage, warum die verschiedenen Teile der Handschrift zu einem späteren Zeitpunkt zusammengebunden wurden. Hier sind ein paar mögliche Antworten.

Erhard Wameshafft

Erhard Wameshafft (oder Waneshafft, wie er manchmal geschrieben wird) ist möglicherweise auch ein sprechender Name, nämlich ein ‘Erhard’, der in hoffendem Liebessehnen gefangen ist. Wir finden den Namen im Text selbst, das ‘Ich’ wird so von einer der allegorischen (?) Damen in der Gefolgschaft von Frau Liebe genannt (hier können Sie einen Ausschnitt aus dem Originaltext nachlesen und anhören). Am Ende seines Textes verrät Wameshafft noch mehr über die Entstehung des Textes:
Original: Hie mit die red sich fullent / die ich duommer wameshafft / uß schlechttem sin an meinsterschafft (!) / zu küngsteyn uß syennen brach / fyer wochen was ich cranck vnd swach / daß ich das lant mocht bruchen niht / die will maht ich duß nü gedicht / myner genedigen junckfrawen hab ichß geschenckt / dass got des frumm herrn gedenck / vnd behuet sin son das edel bluot / wan sie mich detten alles gut / spis und dranck mit willen gern / got well die dugent rich gewer.
Übersetzung: Hiermit ist der Text zuende, den ich dummer Wameshafft mit meinen bescheidenen Fähigkeiten und ohne besonderes Können verfasste. Vier Wochen war ich krank und schwach, so dass ich nicht durch die Lande ziehen konnte. Währenddessen machte ich dieses neue Gedicht. Meiner gnädigen jungen Herrin habe ich es geschenkt, damit Gott meinen noblen Herrn nicht vergesse und seinen edlen Sohn, denn sie haben mir viel Gutes getan und haben mir stets gern zu essen und zu trinken gegeben. Gott möge die Tugendhaften belohnen.
Die namenlose Dame könnte Anna gewesen sein, die Tochter von Graf Eberhard III. von Eppstein-Königstein. Abgesehen von diesem Text gibt es nur noch einen weiteren Text dieses Autors, und der wurde von den Grafen von Katzenellnbogen in Auftrag gegeben, also auch am Mittelrhein.
Am Ende des Textes von Wameshafft steht ein kurzes Rätsel. Eine kleine mittelalterliche Denksportaufgabe gefällig?
Hier gibt es Informationen zum anderen Autor der Handschrift, Hermann von Sachsenheim.
Hier kommen Sie direkt zu den Rückschlüssen aus den Namen in der Handschrift.

Hermann von Sachsenheim

Hermann von Sachsenheimwar adeliger Abstammung. Wir wissen von ihm, dass er zweimal verheiratet war und 1458 starb. Vermutlich studierte er Jura (jedenfalls kannte er sich im rechtswesen gut aus), und er pflegte engen Kontakt zu den Grafen von Württemberg: Mindestens einmal, nämlich 1432, lieh er dem Grafen eine beträchtliche Summe (wie es scheint, war er nach seiner zweiten Heirat recht wohlhabend). Zusammen mit den Anspielungen im Königsteiner Liederbuch haben wir nun eine zweite Verbindung zwischen dieser Handschrift und dem Haus Württemberg.
Wollen Sie auch mehr zu dem anderen Autor, Erhard Warmeshafft, wissen?
Sonst gehen Sie direkt zu den Schlussfolgerungen aus den Namen, die in dieser Handschrift vorkommen.

Die Namen im Buch

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Ms.germ.qu. 719

Drei Autoren werden in der Handschrift namentlich genannt, Hermann von Sachsenheim, Erhard Wameshafft und Schoffthor. Der letzte scheint ein sprechender Name zu sein, der den Verfasser als dumm wie ein Schaf charakterisiert. Die ersten beiden hingegen geben uns wichtige Hinweise darauf, in welchem Umfesd die Handschrift entstanden ist.

Hier geht es zu Hermann von Sachsenheim.

Und hier zu Erhard Wameshafft.

Ursprünglich selbständige Teile

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Ms.germ.qu. 719
Woher wissen wir, dass die Teile der Handschrift, die sog. Faszikel (?), vorher einzeln existiert haben?

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Ms.germ.qu. 719, fol. 186r.

Die meisten der Faszikel enden mit leeren Seiten, ein klares Indiz dafür, dass das Buch nicht in einem durch geschrieben wurde. Um die Geschichte des Buches zu rekonstruieren, sind die leeren Seiten also mindestens so interesant wie die beschriebenen. Leer sind: 60v; 65v-67v; 101v-102v; 181v-185v; 191r-195v.

Außerdem sind die Außenseiten der Faszikel stärker abgenutzt als die inneren – sie lagen also nicht nur im Regal, sondern wurden auch benutzt und gelesen, bevor sie mit den anderen zusammengebunden wurden. Das Bild rechts ist ein Beispiel für Flecken am Anfang des fünften Faszikels.

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Inhalt von Ms.germ.qu. 719

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Ms.germ.qu. 719

Diese Handschrift ist aus sechs ursprünglich unabhängigen Teilen zusammengebunden worden (woher wissen wir das?). Hier sind sie:

f. 2r-60r: Hermann von Sachsenheim: ‘Der Spiegel‘
f. 61r-65r: Erhard Wameshafft: ‘Liebe und Glück’; f. 65r: Rätsel
f. 68r-101r: Schoff thor: ‘Warnung an hartherzige Frauen’
f. 103r-181r: Königsteiner Liederbuch (mehr dazu)
f. 186r-190v: Gebete und Auszüge aus der Requiem-Liturgie (deutsch)
f. 196r-200v: Hermann von Sachsenheim: ‘Die Grasmetze’

Auch wenn wir nicht wissen, wer die Handschrift schrieb und in wessen Auftrag er das tat, können wir doch einiges über die dahinterstehenden Interessen herausfinden, wenn wir die Autoren genauer ansehen, deren Texte hier versammelt sind. (Wenn Sie auf diesen Link klicken, bleiben Sie auf dem Hauptweg durch den Ausstellungsraum.)

Warum hat man wohl diese Faszikel (?) zusammengebunden? (Wenn Sie auf diesen Link klicken, nehmen Sie eine Abkürzung durch den Ausstellungsraum und überspringen die Deutung der in der Handschrift enthaltenen Namen.)

 

Ein privates Liebesgespräch?

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Ms.germ.qu. 719
Ein Teil der Handschrift ist relativ gut erforscht: das Königsteiner Liederbuch. Es handelt sich um eine Sammlung von 169 Liedern, von denen ein paar sogar mit Musik überliefert sind (was sehr selten ist im deutschsprachigen Raum). Zwischen den Lieder finden sich ein paar Anspielungen auf reale Personen:
Staatsbibliothek zu Berlin

Berlin, SBB-PK, Ms.germ.qu. 719, fol. 128v

heinrich graff
zu wirtemberg
Gedencke an mich als ich an dich
Nit mere beger ich
(Heinrich Graf von Württemberg, denk an mich so wie ich an dich;
mehr verlange ich nicht.)
Außerdem wurden zwischen die Lieder an verschiedenen Stellen Initialen eingetragen. Man gewinnt den Eindruck, dass hier mitten in dem Liederbuch ein ganz privates Liebesgespräch stattfand. Möglich ist auch, dass der Schreiber der Handschrift dieses Liebesgespräch aus der Vorlage abgeschrieben hat.
Hier geht es zurück zum Überblick über alle in der Handschrift enthaltenen Texte.