Glossar

Allegorie (Adj. allegorisch) – eine Geschichte, in der die Figuren und Ereignisse symbolhaft für etwas anderes stehen. In einer reinen Allegorie lassen sich alle Handlungen der Figuren und ihre Beziehungen untereinander.

Aufführung – Mittelalterliche Texte wurden nicht nur gelesen, sondern auch aufgeführt. Das bedeutete z. B. das Vorlesen von Romanen, das Vorsingen von Heldenepik oder Gedichten, oft begleitet von Musikunstrumenten, oder die szenische Aufführung von dramatischen Texten.

Bifolium (Mz. Bifolia), dt. Doppelblatt – ein einfaches Blatt Pergament oder Papier, das in der Mitte gefaltet wird, so dass sich zwei Blätter ergeben (von lat. bi ‘zwei’ und folium ‘Blatt’). Ein Blatt hat wiederum zwei Seiten (s. recto und verso). Je nachdem, wie oft ein Standardbogen gefaltet worden waren, ergaben sich größere oder kleinere Formate; hier sind die wichtigsen:

  1. 1x gefaltet (=2 Blatt): folio (entspricht ca. A4)
  2. 2x gefaltet (=4 Blatt): quarto (entspricht ca. A5)
  3. 3x gefaltet (=8 Blatt): octavo (entspricht ca. A6)

Blatt (lat. folium)- anders als in der Neuzeit zählt das Mittelalter nicht Seiten, sondern Blätter, das heißt, Vorderseite (recto) und Rückseite (verso) gehören eng zusammen (vgl. auch Bifolium).

Buchmaler – die Person, die bei der Herstellung eines mittelalterlichen Buches für die Illuminationen (Miniaturen und anderen Buchschmuck) zuständig war.

Cursiva – eine Schrift, die über die Seite ‘läuft’ (von lat. currere = ‘laufen’), ohne dass die Feder zwischen den Buchstaben abgesetzt wird (außer, um sie in die Tinte zu tunken).

Explizit (lat. explicit ‘es endet’) – ein Paratext, der das Ende eines Textes anzeigt (vgl. Incipit).

Fabliau – kürzere Verserzählung, häufig mit schwankhaftem, auch derbem Inhalt, über Ehe, Ehebruch und andere Fragen des Zusammenlebens der Geschlechter.

Faszikel (Heft) – zusammengeheftete Papierbogen, die eine Einheit ergeben (sie können, müssen aber nicht mit einem Umschlag versehen sein) und aus denen sich eine Handschrift zusammensetzt (vgl. Lage). Faszikel konnten auch ungebunden benutzt werden, haben sich in der Regel aber nur erhalten, wenn sie irgendwann mit anderen zu einem Kodex zusammengebunden wurden.

Federprobe – eine Zeichnung oder ein kurzer Text (manchmal auch nur sinnloses Gekritzel), mit denen ein Schreiber die Qualität einer neuen oder neu gespitzten Feder prüfte.

Glosse – ein oder mehrere Wörter, die dem ursprüngichen Textbestand einer Handschrift hinzugefügt wurden, z. B. um Wörter zu übersetzen oder Textstellen zu kommentieren. Im Frühmittelalter schrieb man Glossen zwischen die Zeilen (Interlinearglossen), später meist an den Rand (Marginalglossen). Wenn man alle so entstandenen Übersetzungen oder Erläuterungen zusammenschrieb, erhielt man ein Glossar. Dieses Wort hat sich für erläuternde Listen bis heute erhalten – Sie selbst lesen auch gerade ein Glossar.

Griffel – eine Nadel, mit der Linien auf Pergamentblättern eingeritzt wurden, um dem Schreiber das Layout einer Seite vorzugeben.

historiated initial – siehe Initiale.

Illumination – Sammelbezeichnung für mittelalterlichen Buchschmuck.

Incipit (lat. ‘es beginnt’) – 1) ein Paratext, der den Anfang eines Textes in der Handschrift markiert (vgl. Explizit) oder 2) die ersten Wörter eines Textes, die dazu dienen, ihn zu identifizieren (anstelle von Titeln genutzt).

Initiale – meist farbig und auffällig groß ausgeführter Großbuchstabe zu Beginn eines Textes oder Textabschnitts. Wenn der Hintergrund der Initiale mehrfarbig ist, spricht man von einer Champie-Initiale (von frz. champ pie = ‘verschiedenfarbiges Feld’); von einer dekorierten Initiale spricht man, wenn Zeichnungen oder Goldschmuck hinzukommen. Im Englischen und Französoschen gibt es auch eine Bezeichnung für Initialen, die Personen darstellen oder eine Geschichte erzählen (historiated initial bzw. lettrine historiée).

Kettenbuch (lat. liber catenatus) – In manchen Bibliotheken und in vielen Klöstern wurden Bücher mit Ketten am Lesepult befestigt, um sie vor Diebstahl (und auch vor dem Herunterfallen) zu schützen. Zu diesem Zweck wurde an einer der Buchecken ein Metallstück angebracht, an dem die Kette befestigt war. Kettenbücher haben sich nur selten erhalten, zu sehen sind sie beispielsweise in der Bibliothek der Kathedrale in Hereford (England).

Kodex (Mz. Kodices) – eine gebundene Handschrift (ein Buch im Mittelalter).

Kodikologie – die Lehre von den Büchern und Handschriften als Gegenständen (nicht nur der Texte, die sie enthalten). Ein entsprechender Spezialist heißt Kodikologe.

Komposithandschrift – eine Handschrift, die aus mindestens zwei ursprünglich selbständigen Teilen zusammengebunden wurde, die verschiedener Herkunft sein können und inhaltlich nicht zusammenhängen müssen.

Lage – mehrere Bifolia ineinander gelegt und zusammengenäht (vgl. Faszikel).

Metallstift – ein Vorläufer des modernen Bleistifts, anders als dieser aber tatsächlich eine Blei-Legierung (und nicht Graphit), mit dem man dünne Linien auf das Papier oder Pergament aufbrachte, um das Seitenlayout vorzugeben

Miniatur – ein Bild in einer mittelalterlichen Handschrift (von lat. minium ‘Mennige’, der roten Farben, die für Buchmalerei verwendet wurde; zunächst hat das Wort nichts mit der Größe des BIdles zu tun).

Nota bene – lat. ‘wohlgemerkt’, ein Hinweis, oft am Rand neben einem Text, der die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine bestimmte Stelle in der Handschrift lenken soll. Das geschieht entweder durch die asugeschriebenen Wörter ‘nota bene’ oder durch die Abkürzung ‘n. b.’ oder durch eine Zeigehand.

Paläographie – die Lehre von alten Schriften.

Paratext – Elemente in einer Handschrift, die sich auf einen Text (in der 2. Bedeutung, s.u.) beziehen. Die genaue Definition von Paratext ist umstritten, aber die meisten Forscher sind sich einig, dass folgende Elemente dazuzählen: Inzipits (in der 1. Bedeutung), Explicits, Glossen, Rubriken, Überschriften, Zwischenüberschriften, Titel, Inhaltsverzeichnisse, Glossare, Register.

recto – die Vorderseite eines Blattes (Gegenteil:verso).

Reklamant – ein oder mehrere Wörter am Ende einer Lage als Hinweis für den Buchbinder, in welcher Reihenfolge er die Lagen binden sollte.

Rubrik – von lat. rubricare ‘rot machen’, ein in roter Farbe geschriebener Paratext, der zur Gliederung und bisweilen auch zur Ausschmückung mittelalterlicher Texte und Handschriften diente.

Rubrikator – derjenige, der die rote Farbe auftrug (ganze Rubriken, aber auch einzelne rote Buchstaben oder auch nur rote Hervorhebungen von einzenen schwarzen Buchstaben). Den Vorgang, mit roter Farbe zu arbeiten, nennt man Rubrizieren.

Sammelhandschrift – eine Handschrift, in der mehrere Texte zusammen überliefert sind. In unserem Sprachgebrauch zählen dazu sowohl Handschriften, in denen die Texte nach einem offensichtlichen System zusammengestellt wurden, als auch sog. Miszellhandschriften, in denen ein Ordnungsprinzip für uns nicht erkennbar ist. Sammelhandschriften können aus einem Guss sein oder auch über längere Zeit entstanden sein, indem man immer wieder neue Texte hinzufügte oder neu einband.

Schreiber – jemand, der mittelalterliche Handschriften schrieb, entweder ein speziell ausgebildeter und hochspezialisierter Berufsschreiber oder ein Laie, der zu seinem eigenen Gebrauch Texte abschrieb. Jeder Schreiber hat (wie heute auch) eine eindeutig identifizierbare Handschrift; in der Forschung spricht man von Schreiberhand oder einfach von Hand.

Schriftträger – von der ältesten bis in die heutige Zeit verwendete Schriftmedien: In der Antike waren dies beispielsweise Steine, Wachstafeln oder Papyrus, im mittelalterlichen Buchwesen kamen überwiegend Pergament und Papier zum Einsatz. Im Unterschied dazu spricht man von Schreibmaterialien, wenn die Geräte gemeint sind, mit deren Hilfe die Schrift aufgebracht wurde (Griffel, Feder etc.).

Skriptorium – der Raum in einem Kloster, in dem Bücher geschrieben wurden.

Stabreim – alliterierende Verskunst: Die wichtigen Wörter eines Verses beginnen mit dem gleichen Anlaut (Anfangsbuchstaben); die Verteilung dieser Wörter im Vers muss dabei bestimmten Regeln gehorchen. Anders als beim Endreim, der den Stabreim ablöste, ist also der Beginn der Wörter wichtig, nicht ihr Ende.

Text – 1) etwas Gechriebenes oder 2) eine vollständige und abgeschlossene Einheit von Sätzen, z. B. ein Gedicht, ein Kochrezept oder ein Kriminalroman.

verso – die Rückseite eines Blattes (Gegenteil recto).

Volkssprache – so werden mittelalterliche Sprachen bezeichnet, die vom Volk, also auch von Menschen ohne Bildung gesprochen wurden (vor allem im Unterschied zu Latein, aber auch Griechisch).

Vorsatzblatt – das Blatt, das sich in einem Kodex vor Beginn des eigentlichen Textes findet; es war ursprünglich frei, wurde aber häufig mit Notizen, Zeichnungen und Federproben versehen.

Wasserzeichen – eine Markierung im Papier, durch die man die Mühle identifizieren kann, in der das Papier geschöpft wurde. Wasserzeichen entstanden, indem auf der Schöpfform ein dickerer Draht in Form der gewünschten Markierung befestigt wurde, der einen entsprechenden Abdruck hinterließ. Dieser ist gegen das Licht zu sehen und ermöglicht es, Papier zu datieren und zu lokalisieren. Heute werden Wasserzeichen vor allem als Sicherheitsmerkmal in Banknoten verwendet.