Pergament oder Papier?

Beim Anblick von Schafen auf der Weide denken Sie vermutlich nicht unbedingt an Bücher. Und umgekehrt werden Ihnen auch nicht, wenn Sie eine Bibliothek betreten, Schafe in den Sinn kommen. Im Mittelalter aber gab es einen engen Zusammenhang zwischen Büchern und Schafen (auch Rindern, Ziegen oder anderen Tieren): Ihre Haut lieferte nicht nur das Leder zum Einbinden der Bücher, sondern auch das Pergament für die Buchseiten.

Pergament wurde im 2. Jahrhundert v. Chr. in Kleinasien erfunden und hat seinen Namenvon der griechischen Stadt Pergamon (heute in der Türkei). In den folgenden Jahrhunderten verdrängte es nach und nach das bis dahin gängige Papyrus als Schreibmaterial. Im Vergleich mit diesem hat Pergament nämlich einen wesentlichen Vorteil: Wenn man es faltet, bricht es nicht – und das erlaubte die Herstellung von Lagen (?) und damit von Kodices statt Buchrollen (Rolle oder Kodex?).

Pergament war sehr wertvoll. Blätter von Handschriften, die man aussortiert hatte, wurden für die Herstellung neuer Handschruften wiederverwendet: Sie konnten die Bindung stabilisieren, man konnte Leim aus ihnen herstellen – und manchmal hat man die Schrift auch abgeschabt und die Blätter neu beschrieben (was ein sogenanntes Palimpsest ergibt). Auch die schiefen und krummen Randstücke, die nach dem Ausschneiden von Buchseiten übrigblieben (schließlich sind Tiere nicht rechteckig!), fanden noch Verwendung, wie Sie in diesem Video sehen können.

Papier dürfte ungefähr zur selben Zeit erfunden worden sein wie Pergament, aber in einem völlig anderen Teil der Welt: in China. Nur langsam verbreitete sich über Handelsrouten in den arabischen und europäischen Raum die Fähigkeit, Papier herzustellen. Im maurischen Spanien gab es im 11. Jahrhundert die erste europäische Papiermühle, Italien folgte um 1270 mit Fabriano, wo bis heute Papier gemacht wird. Nördlich der Alpen wurde Papier noch lange importiert, bis ab dem 14. Jharhundert auch in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und England Papiermühlen aufkamen.

Papier war billiger als Pergament, und so beförderte seine Einführung den Boom in der Buchproduktion des Spätmittelalters noch zusätzlich. Seit dem späten 14. Jahrhundert wurden praktisch alle literarischen Texte nur noch auf Papier niedergeschrieben.

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Erfindungen des Mittelalters

Die allerersten Kodices hatten nur wenig gemeinsam mit dem, was wir uns heute unter einem Buch vorstellen. Zwar hatten auch sie schon zwei Buchdeckel und zwischen diesen Seiten (was sich vom Prinzip bis heute gehalten hat – außer bei Taschenbüchern). Aber ansonsten fehlte ihnen viel von dem, was moderne Bücher ausmacht. Schon im Mittelalter begann man allerdings, die Gestaltung, die Benutzerfreundlichkeit und nicht zuletzt den Preis von Büchern zu verbessern.Titel. Was würden Sie tun, wenn Sie einen bestimmten Text in einem Buch suchen, das viele Texte enthält, und es gäbe keine Titel? Vermutlich wären Sie ziemlich hilflos. Dem Mittelalter ging das offenbar nicht so, jedenfalls gibt es viele Beispiele von Sammelhandschriften, die ohne Titel auskommen. Manchmal sind die Texte durch etwas Freiraum getrennt oder durch eine Initiale (?), häufig aber noch nicht einmal das, so dass mn kaum erkennen kann, wo ein Text aufhört und der nächste beginnt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Pergament war teuer, und es sollte kein Platz verschenkt werden. Vielleicht war es auch so gedacht, dass man nicht bestimmte Texte herausgreifen sollte, sondern einen nach dem anderen zu lesen hatte.

Tatsächlich gibt es aber schon sehr frühe Handschriften, die Titel für Texte verwenden, um sie wiedererkennbar zu machen. Mit der Zeit wurden diese immer häufiger: Rubriken (?) konnten dann Informationen zum Inhalt des folgenden Textes enthalten, auch wenn das nicht immer sehr eindeutig war (z. B. ‘Der Ritter und die Dame’). Manchmal ist eine Rubrik auch nur dazu da anzuzeigen, dass etwas Neues oder etwas Ähnliches wie vorher beginnt (‘Ein weiteres’ oder ‘Noch eines’). Immer öfter finden sich schließlich auch verdichtende, charakterisierende Titel, wie wir sie aus der Neuzeit kennen (‘Der Gürtel’ oder ‘Der Kaiser mit dem Bart’).

Inhaltsverzeichnisse. Die Erfindung von Titeln war die Grundlage dafür, dass mit der Zeit auch Inhaltsverzeichnisse entstehen konnten. In der Volkssprache (?) entstehen diese im 13. Jahrhundert (in lateinischen Handschriften gibt es sie schon früher). Sie halfen dabei, einen Überblick zu bekommen, was alles in einem Buch enthalten war, oder einen gewünschten Text aufzufinden. Und wer weiß wozu sie noch gut waren: Vielleicht gaben stolze Besitzer vor ihren Freunden damit an, welche Texte sie alle in ihrer Bibliothek hatten? Sicherlich waren sie auch praktisch, wenn es darum ging, die eigene Bibliothek zu ergänzen und dabei Dubletten zu vermeiden. Zumindest von einem Besitzer des 16. Jahrhunderts wissen wir, dass er so vorging (siehe den Post über Minnereden).

Foliierung. Wenn ein Inhaltsverzeichnis dazu dienen soll, einen Text leichter zu finden, ist es natürlich extrem hilfreich, wenn auch die Seiten des Buches nummeriert sind. Bei Handschriften werden traditionell nicht die Seiten, sondern die Blätter gezählt (‘foliieren’ von lat. folium, ‘Blatt’). Es gibt nur wenige Bücher, die schon im Mittelalter eine solche Foliierung bekamen oder bei denen die Texte durchgezählt wurden. Umso wichtiger ist diese Erfindung einzuschätzen, die die Benutzerfreundlichkeit eines Buches und eines Inhaltsverzeichnisses wesentlich erhöhte. Und nicht zuletzt können wir daraus auch schließen, dass bei den Lesern irgendwann das Bedürfnis entstand, auch einzelne Texte einer Handschrift zur Kenntnis zu nehmen, und nicht mehr die Texte linear hintereinander zu lesen.

Papier. Eine der wichtigsten mittelalterlichen Erfindungen ist zweifellos das Papier. In dem Moment, wo Schreiber dieses bedeutend billigere (wenn auch weniger haltbare) Material zu nutzen begannen, waren sie viel freier, Ergänzungen vorzunehmen, größere Schriften zu verwenden, mit dem Raum (und dem Freiraum!) auf einer Seite zu arbeiten (zum Beispiel um Platz für Erweiterungen oder Illustrationen zu lassen oder zwei Texte deutlich voneinander abzugrenzen). Es war nun auch nicht mehr wichtig, ob ein Text wichtig genug war, um ihm Platz auf dem Pergament zu widmen, so dass die Menge der niedergeschriebenen Texte förmlich explodierte. (Siehe auch Pergament oder Papier?).

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