Erfindungen des Mittelalters

Die allerersten Kodices hatten nur wenig gemeinsam mit dem, was wir uns heute unter einem Buch vorstellen. Zwar hatten auch sie schon zwei Buchdeckel und zwischen diesen Seiten (was sich vom Prinzip bis heute gehalten hat – außer bei Taschenbüchern). Aber ansonsten fehlte ihnen viel von dem, was moderne Bücher ausmacht. Schon im Mittelalter begann man allerdings, die Gestaltung, die Benutzerfreundlichkeit und nicht zuletzt den Preis von Büchern zu verbessern.Titel. Was würden Sie tun, wenn Sie einen bestimmten Text in einem Buch suchen, das viele Texte enthält, und es gäbe keine Titel? Vermutlich wären Sie ziemlich hilflos. Dem Mittelalter ging das offenbar nicht so, jedenfalls gibt es viele Beispiele von Sammelhandschriften, die ohne Titel auskommen. Manchmal sind die Texte durch etwas Freiraum getrennt oder durch eine Initiale (?), häufig aber noch nicht einmal das, so dass mn kaum erkennen kann, wo ein Text aufhört und der nächste beginnt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Pergament war teuer, und es sollte kein Platz verschenkt werden. Vielleicht war es auch so gedacht, dass man nicht bestimmte Texte herausgreifen sollte, sondern einen nach dem anderen zu lesen hatte.

Tatsächlich gibt es aber schon sehr frühe Handschriften, die Titel für Texte verwenden, um sie wiedererkennbar zu machen. Mit der Zeit wurden diese immer häufiger: Rubriken (?) konnten dann Informationen zum Inhalt des folgenden Textes enthalten, auch wenn das nicht immer sehr eindeutig war (z. B. ‘Der Ritter und die Dame’). Manchmal ist eine Rubrik auch nur dazu da anzuzeigen, dass etwas Neues oder etwas Ähnliches wie vorher beginnt (‘Ein weiteres’ oder ‘Noch eines’). Immer öfter finden sich schließlich auch verdichtende, charakterisierende Titel, wie wir sie aus der Neuzeit kennen (‘Der Gürtel’ oder ‘Der Kaiser mit dem Bart’).

Inhaltsverzeichnisse. Die Erfindung von Titeln war die Grundlage dafür, dass mit der Zeit auch Inhaltsverzeichnisse entstehen konnten. In der Volkssprache (?) entstehen diese im 13. Jahrhundert (in lateinischen Handschriften gibt es sie schon früher). Sie halfen dabei, einen Überblick zu bekommen, was alles in einem Buch enthalten war, oder einen gewünschten Text aufzufinden. Und wer weiß wozu sie noch gut waren: Vielleicht gaben stolze Besitzer vor ihren Freunden damit an, welche Texte sie alle in ihrer Bibliothek hatten? Sicherlich waren sie auch praktisch, wenn es darum ging, die eigene Bibliothek zu ergänzen und dabei Dubletten zu vermeiden. Zumindest von einem Besitzer des 16. Jahrhunderts wissen wir, dass er so vorging (siehe den Post über Minnereden).

Foliierung. Wenn ein Inhaltsverzeichnis dazu dienen soll, einen Text leichter zu finden, ist es natürlich extrem hilfreich, wenn auch die Seiten des Buches nummeriert sind. Bei Handschriften werden traditionell nicht die Seiten, sondern die Blätter gezählt (‘foliieren’ von lat. folium, ‘Blatt’). Es gibt nur wenige Bücher, die schon im Mittelalter eine solche Foliierung bekamen oder bei denen die Texte durchgezählt wurden. Umso wichtiger ist diese Erfindung einzuschätzen, die die Benutzerfreundlichkeit eines Buches und eines Inhaltsverzeichnisses wesentlich erhöhte. Und nicht zuletzt können wir daraus auch schließen, dass bei den Lesern irgendwann das Bedürfnis entstand, auch einzelne Texte einer Handschrift zur Kenntnis zu nehmen, und nicht mehr die Texte linear hintereinander zu lesen.

Papier. Eine der wichtigsten mittelalterlichen Erfindungen ist zweifellos das Papier. In dem Moment, wo Schreiber dieses bedeutend billigere (wenn auch weniger haltbare) Material zu nutzen begannen, waren sie viel freier, Ergänzungen vorzunehmen, größere Schriften zu verwenden, mit dem Raum (und dem Freiraum!) auf einer Seite zu arbeiten (zum Beispiel um Platz für Erweiterungen oder Illustrationen zu lassen oder zwei Texte deutlich voneinander abzugrenzen). Es war nun auch nicht mehr wichtig, ob ein Text wichtig genug war, um ihm Platz auf dem Pergament zu widmen, so dass die Menge der niedergeschriebenen Texte förmlich explodierte. (Siehe auch Pergament oder Papier?).

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