Eine Handschrift für kurze Texte?

Paris, BNF, fr. 837 (vor 1300), ff. 252v-253r

Die Handschrift BNF, fr. 837enthält überwiegend kurze Texte. Die kürzesten sind Gedichte und Texte, in denen schlechtes Benehmen verurteilt wird; der längste ist ein Heiligenleben, danach kommt mit einigem Abstand an Länge eine kürzere Verserzählung (was ist das?). Insgesamt kann man  – gerade auch im Vergleich zu anderen Handschriften – eine Tendenz zur Kürze festhalten.

Allerdings gibt es ein paar Stellen, an der Blätter fehlen, und es ist möglich, dass die Texte, die hier standen, länger waren. Keith Busby vermutet, dass die längeren Texte entfernt wurden, um der Sammlung eine gewisse formale Einheitlichkeit zu geben, die er vorher nicht hatte.

Paris, BNF, fr. 837 (vor 1300), ff. 149v-150r

Dies ist eine dieser Stellen. Neben einer Hand (?) des 19. Jahrhunderts, die die fehlenden Seiten anmerkt, steht eine ebensolche Bemerkung aus dem 14. Jahrhundert. Möglicherweise hatte dieser Benutzer Zugang zu einem Inhaltsverzeichnis, aus dem er die fehlenden Texte rekonstruieren konnte (zu diesem Leser und seinen Eintragungen siehe auch hier).

Er merkt an, dass das Ende des aktuellen Textes fehle sowie ein weiterer ganzer Text und der Beginn eines dritten. Der mittlere, gänzlich fehlende Text war Ovids ‘Ars amatoria’ (‘Die Kunst zu lieben’). Das Problem ist nur, dass wir ihn zwar in anderen altfranzösischen Fassungen kennen, nur variieren diese beträchtlich in ihrer Länge. Es kann also sein, dass hier ein langer Text stand, aber sicher wissen wir es immer noch nicht.

Da diese Handschrift im Mittelalter keine Blattzahlen bekommen hat, die anzeigen würde, wie viel tatsächlich fehlt, können wir nicht mit Sicherheit sagen, warum die Texte herausgerissen wurden und ob eine formale Vereinheitlichung das Ziel war.

Apropos formale Vereinheitlichung: Das äußere Erscheinungsbild dieser Handschrift ist – im Unterschied zu den in ihr enthaltenen Texten – sehr homogen (weitere Informationen dazu).

Zurück zur Startseite zu dieser Handschrift.

(Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Bibliothèque nationale de France: gallica.bnf.fr.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert