Ein weitgereistes Buch

Oxford, Bodleian Library MS. Bodl. 264, fol. 218r (detail)

Das Thema ‘Reisen in ferne Länder’ verbindet alle drei Texte dieses Buchs.
Oxford, Bodleian Library, MS. Bodl. 264, fol. 218r (Ausschnitt)

Im Mittelalter waren Bücher seltene und kostbare Gegenstände, insbesondere so reich und aufwändig gestaltete Handschriften wie Bodley 264. Ein solches Buch zu besitzen bedeutete Prestige und wies auf ein beträchtliches Vermögen und guten Geschmack hin. Offenbar war es unter den Adeligen ein begehrtes Objekt, denn es wechselte nachweislich häufig den Besitzer – ja, man kann sicher sagen, dass das Buch mehr herumkam als die Menschen, die es herstellten oder besaßen.

Zu der Zeit, als diese Handschrift entstand, gab es viel Austausch zwischen England und Frankreich. Englands Herrscher stammten schließlich alle vom französischen Adel ab, und zwischen 1337 und 1453 reisten Soldaten und militärische Anführer hin und her über den Ärmenkanal, um zu kämpfen, zu verhandeln, Informationen zusammenzutragen und Botschaften zu überbringen: Die Zeit dieser Territorialstreitigkeiten und dyntischen Konflikte ist als Hundertjähriger Krieg in die Geschichtsbücher eingegangen. Zwischen England und dem Kontinent gab es außerdem regen Handel und lebhaften Austausch zwischen Klerikern, nicht nur, aber auch mit dem Vatikan.

Bücher erfüllten auf solchen Reisen einen wichtigen Zweck: Man konnte mit ihnen beeindrucken und sich dadurch Vorteile sichern; wenn sie Geschichten von früheren militärischen Konflikten enthielten, konnten sie als Präzedenz-Fälle dienen; oder sie halfen einem mit ihren Geschichten, die Unbequemlichkeiten des Reisens oder Kriegführens wenigstens zeitweise zu vergessen.

Alle drei Texte in Bodley 264 handeln vom Reisen in ferne und exotische Länder, sie erzählen Geschichten von fremdartigen Menschen mit merkwürdigen Sitten. Leicht konnte sich ein reisender Leser in ihnen verlieren oder seine eigene Situation in ihnen gespiegelt finden. Nicht zuletzt boten Reisen natürlich auch Gelegenheiten, neue Bücher zu erwerben – sei es auf legalem oder illegalem Weg. Vielleicht kam Bodley 264 im Reisegepäck eines heimkehrenden Soldaten nach England? Wenn ja: Hatte er es gekauft, geschenkt bekommen oder erbeutet?

Auch die Sprachen dieses Buches erzählen davon, wie weit es herumgekommen ist.

Hier können Sie mehr nachlesen zu mittelalterllichen Reiseberichten.

(Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Bodleian Library, University of Oxford
http://image.ox.ac.uk/show-all-openings?collection=bodleian&manuscript=msbodl264)

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