Werkstatt oder Kloster?

Es war einmal vor langer Zeit … da lebte ein einfacher Mönch in einem Kloster. Seine Aufgabe war es, im Skriptorium (?) Bücher zu vervielfältigen. Sein ganzes Leben verbrachte er damit, wieder und wieder dieselben Texte abzuschreiben, die sich in dem einen Buch befanden, das seit der ersten Abschrift sorgsam in einer hölzernen Truhe verschlossen war. Als er merkte, dass sein Ende nah war, bat er den Abt um eine letzte Gnade: noch einmal wollte er das ehrwürdige Original in Händen halten, dessen Texte er so oft geschrieben hatte. Mit zitternden Fingern wendete er Blatt um Blatt und las die Texte, die er mittlerweile auswändig konnte. Kurz bevor er das Buch aus der Hand legen wollte, fielen seine Augen auf ein Wort, das er noch nie gesehen hatte. Er begriff, dass er all die Jahre einen Fehler gemacht hatte: Statt celebatus (‘gepriesen, verherrlicht’) hatte er stets caelibatus (‘zölibatär’) geschrieben …

Der Witz ist alt, aber das Bild, das er transportiert, steckt fest in unseren Köpfen: Mönche, die ein Buch nach dem anderen abschreiben (und dabei Fehler machen). Dabei war die mittelalterliche Buchproduktion deutlich vielfältiger, als man annehmen würde.

Bis zum 12. Jahrhundert entstanden tatsächlich die meisten Bücher in Klöstern. Sie waren die interllektuellen Zentren, versammelten das notwendige Wissen und stellten die beste Infrastruktur zur Verfügung. Als aber ab dem 12. Jahrhundert Städte entstanden, der Handel immer wichtiger wurde und mehr und mehr Universitäten gegründet wurden, lernten auch immer mehr Menschen Lesen und Schreiben. Zunächst diente das administrativen Zwecken, doch bald wuchs auch die Nachfrage nach Büchern mit unterhaltenden oder besinnlichen Inhalten und überstieg die Möglichkeiten der Klöster. So kam es, dass immer mehr Menschen vom Schreiben leben konnten: Lehrer, Notare, Priester und Verwaltungsbeamte verdienten sich ein Zubrot, indem sie Texte abschrieben.

In den Handels- und Wissenszentren wie Paris, Oxford, London, Ghent, Brügge und Brüssel, Nürnberg, Augsburg oder Straßburg wurden Bücher im Spätmittelalter im großen Stiel hergestellt. So gab es im Paris des 13. Jahrhunderts mehrere Straßen, in denen Pergamentmacher, Schreiber (?) und Buchmaler (?) wohnten, die gemeinsam an der Herstellung der schönsten Handschriften beteiligt waren. Nach und nach entstanden Werkstätten, in denen Spezialisten arbeitsteilig Bücher herstellten. Lesen Sie hier mehr zu der berühmtesten Werkstatt im deutschsprachigen Raum.

Alle Handschriften, die in unserer Ausstellung vorkommen, wurden in Städten hergestellt.

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